„Framing“ stellt keine öffentliche Wiedergabe und damit keine Urheberrechtsverletzung dar

Die Einbettung eines auf einer Internetseite mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene Internetseite im Wege des „Framing“ stellt grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 und 3 UrhG dar.

BGH URTEIL I ZR 46/12 vom 9. Juli 2015 – Die Realität II

UrhG § 15 Abs. 2 und 3

BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – I ZR 46/12 – OLG München
LG München I
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 9. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und Feddersen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Februar 2012 aufgehoben, soweit hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung von Schadenser-satz und Freistellung von Abmahnkosten zum Nachteil der Kläge-rin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Wer-bezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Video-plattform „YouTube“ abrufbar.
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Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten je-weils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Pro-dukte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Internetsei-ten, den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Film im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis („Link“) wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.
Nach Ansicht der Klägerin haben die Beklagten den Film damit unbe-rechtigt im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat von den Beklagten daher Unterlassung, Schadensersatz und die Freistel-lung von Abmahnkosten verlangt. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlas-sungserklärung durch die Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit hin-sichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klä-gerin jeweils Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € zu zahlen und die Klägerin jeweils von Abmahnkosten in Höhe von je 555,60 € freizustellen; außerdem hat es den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des überein-stimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hälftig zwischen den Par-teien verteilt (OLG München, ZUM-RD 2013, 398). Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Mit Beschluss vom 16. Mai 2013 hat der Senat dem Gerichtshof der Eu-ropäischen Union folgende Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwand-
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ten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zur Vorabentscheidung vorge-legt (GRUR 2013, 818 = WRP 2013, 1047 – Die Realität I):
Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjeni-gen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Beschluss vom 21. Oktober 2014 (C-348/13, GRUR 2014, 1196 = WRP 2014, 1441 – Best Water International/Mebes und Potsch) wie folgt entschieden:
Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Fra-ming-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmoni-sierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutz-rechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wie-dergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe un-terscheidet.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien nicht begründet, weil die Ermöglichung der Wie-dergabe fremder Werke auf der eigenen Internetseite in Form eines in dieser Seite aufscheinenden Rahmens („Frames“) keine dem Berechtigten nach §§ 15, 19a UrhG vorbehaltene Nutzungshandlung darstelle. Dazu hat es ausge-führt:
Das dem Urheber als Unterfall des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe eines Werks in unkörperlicher Form (§ 15 UrhG) vorbehaltene Recht zur öffent-lichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) setze voraus, dass sich das Werk in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befinde. Diese Voraussetzung sei nicht
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erfüllt, wenn auf einer Internetseite ein verweisender Link auf eine fremde Seite gesetzt werde, die das geschützte Werk enthalte. Dies gelte auch im – hier in Rede stehenden – Fall eines „framenden“ Links. Bei Verwendung dieser Tech-nik werde die verlinkte Webseite nach Aktivierung des Links unmittelbar in den Computer des Nutzers geladen. Es entscheide daher nicht derjenige, der den Link gesetzt habe, sondern derjenige, der das Werk auf der verlinkten Webseite eingestellt habe, ob das Werk zum Abruf bereitgehalten und damit der Öffent-lichkeit zugänglich gemacht werde. Nehme er das Werk von seiner Webseite, gehe der „framende“ Link ins Leere und bleibe der Rahmen ohne Inhalt. Der Umstand, dass das auf der fremden Webseite wiedergegebene Werk beim „framenden“ Link anders als beim verweisenden Link nicht auf der fremden Sei-te betrachtet, sondern in die eigene Seite eingebunden werde, rechtfertige kei-ne abweichende Beurteilung. Insbesondere sei unerheblich, ob beim Nutzer dadurch der – tatsächlich unzutreffende – Eindruck erweckt werde, derjenige, der den Link gesetzt habe, halte selbst das Werk zum Abruf bereit.
B. Die Revision ist teilweise begründet. Sie hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Zah-lung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten richtet (dazu B I). Sie hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsge-richt der Klägerin die Hälfte der Kosten des übereinstimmend für erledigt erklär-ten Unterlassungsantrags auferlegt hat (dazu B II).
I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 UrhG) und Freistellung von Abmahnkosten (§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF) nicht verneint werden. Die hier in Rede stehende Wiedergabe eines frem-den Werkes auf der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ hat zwar nicht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) verletzt (da-
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zu B I 2). Es ist jedoch möglich, dass diese Wiedergabe ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) verletzt hat (dazu B I 3).
1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der in Rede stehende Film als Filmwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG urhe-berrechtlich geschützt ist. Die Klägerin verfügt – wie das Berufungsgericht fest-gestellt hat – über die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Werk.
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wieder-gabe des in Rede stehenden Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG dargestellt hat.
Die Vorschrift des § 19a UrhG, die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzt, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 8 – Die Realität I, mwN).
Die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehal-tenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ stellt da-nach kein öffentliches Zugänglichmachen dar, weil allein der Inhaber der frem-den Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitge-haltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt (vgl. BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 9 – Die Realität I, mwN).
3. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) verletzt hat. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Behauptung der Klägerin getroffen hat, der Film sei nicht mit ihrer Zustimmung auf der Vi-
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deoplattform „YouTube“ eingestellt gewesen, als die Beklagten ihn über ihre Webseite im Wege des Framing zugänglich gemacht haben. Mangels abwei-chender Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Behauptung der Klägerin für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, ist die hier in Rede stehende Wiedergabe des Films durch die Beklagten als öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG einzustufen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche können daher nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgewiesen wer-den, die Beklagten hätten das Urheberrecht am Film nicht verletzt.
a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Dieses Recht umfasst nach § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), das Senderecht (§ 20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG) sowie das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und der öffentlichen Zu-gänglichmachung (§ 22 UrhG). Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 UrhG enthält kei-ne abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte und lässt daher die Anerken-nung unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 13 – Paperboy; v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 19a UrhG Rn. 22).
b) Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmo-nisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 UrhG richtlinien-konform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richt-linie 2001/29/EG das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmoni-
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siert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzni-veau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 – C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 33 bis 41 – Svensson/Retriever Sverige). Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG weitergehen-de Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG benannten Rechte der öffentli-chen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen.
c) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaa-ten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebun-dene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öf-fentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
aa) Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öf-fentlichkeit, die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person be-findet, die dieses Werk aufführt oder darbietet (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 – C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083 = GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 – Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 – C-283/10, Slg. 2011, I-12031 = GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 und 36 – UCMR-ADA/Zirkus Globus).
Bei der hier in Rede stehenden Wiedergabe des Films auf der Internet-seite der Beklagten hat kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit bestanden. Es hat daher eine Wiedergabe
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an eine Öffentlichkeit vorgelegen, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend gewesen ist. Eine solche Wiedergabe fällt in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
bb) Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Hand-lung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe (vgl. EuGH, Ur-teil vom 7. März 2013 – C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 21 und 31 – ITV Broadcasting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 16 – Svensson/Retriever Sve-rige; zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt 2006/115/EG] zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2012 – C-135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 70 bis 92 = WRP 2012, 689 – SCF/Del Corso; Urteil vom 15. März 2012 – C-162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 25 bis 38 – PPL/Irland; vgl. auch EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 – C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 34 und 35 = WRP 2014, 418 – OSA/Léčebné lázně).
(1) Der Begriff der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29/EG), weit zu verstehen, und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst (vgl. EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 20 ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 17 – Svensson/Retriever Sveri-ge; GRUR 2014, 473 Rn. 23 und 25 – OSA/Léčebné lázně). Eine „Wiedergabe“ setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens also absichtlich und gezielt – tätig wird, um Dritten einen Zugang zum ge-schützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten.
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Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 – C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 und 43 – SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 – Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2014, 360 Rn. 19 – Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 26 – OSA/Léčebné lázně; Urteil vom 27. März 2014 – C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 39 = WRP 2014, 540 – UPC Teleka-bel/Constantin Film und Wega).
Danach ist die hier in Rede stehende Bereitstellung von anklickbaren Links zu geschützten Werken als „Zugänglichmachung“ und deshalb als „Hand-lung der Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ein-zustufen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 20 – Svensson/Retriever Sverige). Die Beklagten sind bei der Einbindung des Films in ihre Internetseiten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens – also absichtlich und gezielt – tätig ge-worden, um den Nutzern ihrer Internetseiten einen Zugang zu dem Film zu ver-schaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden so nicht gehabt hätten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Nutzer diesen Zugang tatsächlich genutzt haben.
(2) Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl po-tentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt (vgl. EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 32 – ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 21 – Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 27 – OSA/Léčebné lázně). Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 SGAE/Rafael; GRUR 2013, 500 Rn. 33 – ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 473 Rn. 28 – OSA/Léčebné lázně).
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Eine Handlung der Wiedergabe wie die hier in Rede stehende, die der Betreiber einer Internetseite mit anklickbaren Links vornimmt, betrifft sämtliche potentiellen Nutzer der von ihm betriebenen Seite und damit eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 22 Svensson/Retriever Sverige). Danach haben die Beklagten eine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vorgenommen.
cc) Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein ge-schütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder – ansonsten – für ein neues Publi-kum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urhe-berrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unter-scheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weite-res der Erlaubnis des Urhebers (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 40 und 41 SGAE/Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 – C-136/09, MR-Int 2010, 123 Rn. 38 – OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 – Foot-ball Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 – ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 24 – Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 14 – BestWater International/Mebes und Potsch).
Soweit das betreffende Werk weder nach einem speziellen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unter-scheidet, noch für ein neues Publikum wiedergegeben wird, stellt die Einbettung eines auf einer Webseite öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Webseite mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik,
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wie sie hier in Frage steht, allein keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar (EuGH, GRUR 2014, 1196 Rn. 19 BestWater International/Mebes und Potsch). Insoweit kommt es – entgegen der vom Senat in seinem Vorlagebeschluss geäußerten Auffassung (vgl. BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 26 – Die Realität I) – nicht darauf an, dass sich derjenige, der – wie im vorliegenden Fall die Beklagten – ein auf einer fremden Internetsei-te öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen macht und sich damit das eigene Bereithalten des Werkes erspart, für das er die Zustim-mung des Urhebers benötigte.
(1) Die Wiedergabe des Films über die Internetseite der Beklagten erfolg-te nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjeni-gen der ursprünglichen Wiedergabe unterschied.
Stellt ein Dritter auf einer Webseite ein geschütztes Werk, das bereits auf einer anderen Webseite frei öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines In-ternetlinks ein, bedient sich eine solche Wiedergabehandlung desselben tech-nischen Verfahrens, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf der anderen Webseite verwendet wurde (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 – Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 – BestWater International/Mebes und Potsch). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Dritte bei einer sol-chen Wiedergabehandlung der Framing-Technik bedient und das der anderen Webseite entstammende Werk mittels eines „eingebetteten“ Internetlinks in ei-nem Rahmen auf seiner Webseite angezeigt wird, so dass den Nutzern seines Webauftritts die ursprüngliche Umgebung dieses Werkes verborgen bleibt (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 29 – Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 17 – BestWater International/Mebes und Potsch). Erfolgt die nachfol-gende Wiedergabe wie die ursprüngliche Wiedergabe im Internet, erfolgt sie
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nach demselben technischen Verfahren (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 Svensson/Retriever Sverige).
Die Beklagten haben auf ihrer Webseite den Film, der bereits auf der Webseite von „YouTube“ öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Inter-netlinks eingestellt. Sie haben sich bei dieser Wiedergabehandlung damit des-selben technischen Verfahrens bedient, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf einer anderen Webseite verwendet wurde.
(2) Die Revision macht zutreffend geltend, dass die Beklagten den Film für ein neues Publikum wiedergegeben haben, wenn er zum Zeitpunkt der Wie-dergabe durch die Beklagten nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers im In-ternet frei zugänglich war (dazu sogleich unter Rn. 34). Die Revision rügt daher mit Erfolg, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Behauptung der Klägerin getroffen hat, der Film sei nicht mit ihrer Zustimmung auf der Video-plattform „YouTube“ eingestellt und damit nicht im Internet frei zugänglich ge-wesen, als die Beklagten ihn über ihre Webseite im Wege des Framing zugäng-lich gemacht haben. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsge-richts ist die Behauptung der Klägerin für die Nachprüfung in der Revisions-instanz als richtig zu unterstellen. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, ist die hier in Rede stehende Wiedergabe des Films als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtline 2001/29/EG – und damit auch im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG – einzustufen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche können daher nicht mit der Begründung verneint werden, die Beklagten hätten das Urheberrecht am Film nicht verletzt.
Werden auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitge-stellt, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinha-ber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, führt dies nach der Rechtspre-chung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum. Unterlag der Zugang zu den Werken
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auf der anderen Internetseite keiner beschränkenden Maßnahme, waren die Werke für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich. Werden die betreffenden Werke den Nutzern einer Internetseite über einen anklickbaren Link zugänglich gemacht, sind diese Nutzer potentielle Adressaten der ursprünglichen Wieder-gabe. Sie sind Mitglieder der Öffentlichkeit, die die Inhaber des Urheberrechts erfassen wollten, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten. Eine solche Wiedergabe erfolgt nicht gegenüber einem neuen Publikum. Sie ist daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und bedarf keiner Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 – Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 – BestWater International/Mebes und Potsch).
Erscheint das Werk bei Anklicken eines bereitgestellten Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise, die den Eindruck vermittelt, dass es auf der Seite erscheint, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstammt, auf der es frei zugänglich ist, ändert dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nichts daran, dass es für eine solche öffentliche Wiedergabe kein neues Publikum gibt und keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich ist (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 29 und 30 – Svensson/Retriever Sverige). Zwar kann diese Fra-ming-Technik verwendet werden, um ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne es kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Gleichwohl führt aber ihre Verwendung nicht dazu, dass das betreffende Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Soweit dieses Werk auf der Webseite, auf die der Internetlink verweist, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubten, an alle Inter-netnutzer als Publikum dachten (vgl. EuGH, GRUR 2014, 1196 Rn. 17 und 18 BestWater International/Mebes und Potsch).
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Werden – wie im Streitfall – auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt, die auf einer anderen Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, führt dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union demnach nur dann nicht zu einer Wiedergabe der fragli-chen Werke für ein neues Publikum, wenn die Werke auf der anderen Internet-seite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugäng-lich sind (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 – Svensson/Retriever Sve-rige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 – BestWater International/Mebes und Potsch). Der Senat versteht diese Rechtsprechung des Gerichtshofs der Euro-päischen Union dahin, dass die fraglichen Werke in derartigen Fällen für ein neues Publikum wiedergegeben werden, wenn keine entsprechende Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber vorliegt. Dafür spricht auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei dem „neuen Publikum“ nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union gegebenen Begriffsbestimmung um ein Publikum handelt, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Hat der Urheberrechtsinhaber die ursprüngliche öffentli-che Wiedergabe nicht erlaubt, konnte er dabei zwangsläufig nicht an ein Publi-kum denken, an das sich diese Wiedergabe richtet. In einem solchen Fall richtet sich daher jede Wiedergabe des Werkes durch einen Dritten an ein neues Pub-likum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Leistner, GRUR 2014, 1145, 1154; Höfinger, ZUM 2014, 293, 295; Jani/Leenen, GRUR 2014, 362, 363; Solmecke, MMR 2015, 48; Jahn/Palzer, K&R 2015, 1, 4; Reinauer, MDR 2015, 252, 254; Fuchs/Farkas, ZUM 2015, 110, 117 f.; aA Abrar, GRUR-Prax 2014, 506; vgl. auch Rauer/Ettig, WRP 2014, 1443, 1444; Dietrich, GRUR Int. 2014, 1162; Ernst, jurisPR-WettbR 1/2015 Anm. 2; Schmidt-Wudy, EuZW 2015, 28, 30; unterscheidend danach, ob die Rechtswidrigkeit des ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgten Zugäng-lichmachens offensichtlich ist Grünberger, ZUM 2015, 273, 280 ff.).
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(3) Es kann offenbleiben, ob ein Urheberrechtsinhaber, der es erlaubt, dass das Werk auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich ge-macht und damit öffentlich wiedergegeben wird, seine Zustimmung durch ent-sprechende Hinweise auf diese öffentliche Wiedergabe beschränken kann, so dass sich öffentliche Wiedergaben auf anderen Internetseiten an ein neues Publikum wenden und grundsätzlich nur mit seiner Erlaubnis zulässig sind (vgl. Walter, MR-Int. 2014, 122, 124; vgl. auch Schulze, ZUM 2015, 106, 108; aA wohl Grünberger, ZUM 2015, 273, 279). Im Streitfall gibt es keine Anhaltspunk-te dafür, dass der Rechtsinhaber, soweit er einer öffentlichen Wiedergabe des Films auf der Videoplattform „YouTube“ zugestimmt haben sollte, diese Zu-stimmung durch entsprechende Hinweise beschränkt haben könnte. Für eine Befugnis des Rechtsinhabers zur Beschränkung seiner Zustimmung spricht al-lerdings, dass ansonsten das Recht zur öffentlichen Wiedergabe eines Werkes im Internet faktisch erschöpft wäre, sobald das Werk mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich gemacht worden ist. Das könnte dem in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG niedergelegten Grundsatz widersprechen, wonach sich die in Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bezeichneten Rechte der öffentlichen Wiedergabe und der öffentlichen Zugänglichmachung nicht mit den in deren Art. 3 genannten Hand-lungen der öffentlichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung erschöpfen (vgl. ALAI, Opinion vom 17. September 2014 on the criterion „New Public”, S. 15, abrufbar unter: http://www.alai.org/en/assets/files/resolutions/2014-opinion-new-public.pdf; aA Grünberger, ZUM 2015, 273, 278; vgl. auch EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 23 – ITV Broadcasting/TVC). Eine Beschränkung der Zustimmung sollte dem Rechtsinhaber auch deshalb gestattet sein, weil er nur auf diese Weise die wirtschaftliche Verwertung seines Werkes steuern und eine angemessene Beteiligung an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes sicherstellen kann.
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dd) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es schließlich nicht unerheblich, ob eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG Erwerbszwecken dient (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 – SGAE/Rafael; GRUR 2012, 156 Rn. 204 – Football Associa-tion Premier League und Murphy). Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwin-gende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 – SGAE/Rafael) und kann für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 42 und 43 – ITV Broadcasting/TVC).
Es kann offenbleiben, ob der Erwerbszweck für die Einstufung einer Wei-terverbreitung wie der hier in Rede stehenden als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unerheblich ist. Eine öffentliche Wieder-gabe ist im Streitfall jedenfalls nicht wegen Fehlens eines Erwerbszwecks aus-geschlossen. Die Wiedergabe des Films durch die Beklagten hat Erwerbszwe-cken gedient, da sie den Absatz der von den Beklagten vertriebenen Produkte fördern sollte.
II. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die Kosten erster Instanz, soweit sie auf den bereits in der ersten Instanz übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrag ent-fallen, nach § 91a ZPO zur Hälfte der Klägerin auferlegt hat.
1. Die Revision macht insoweit geltend, die Berufung sei bezüglich der auf § 91a ZPO beruhenden erstinstanzlichen Kostenentscheidung unzulässig. Das Landgericht habe seine Entscheidung, die Kosten hinsichtlich des überein-stimmend für erledigt erklärten Teils der Klage den Beklagten aufzuerlegen, mit der Vermutung der Wiederholungsgefahr und dem Fehlen einer Unterlassungs-erklärung begründet. Mit diesen tragenden Erwägungen habe sich die Beru-fungsbegründung der Beklagten nicht auseinandergesetzt.
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2. Die Zulässigkeit der Berufung ist in jeder Lage des Verfahrens und daher auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2013 – I ZR 65/12, GRUR 2014, 494 Rn. 11 = WRP 2014, 559 – Diplomierte Trainerin, mwN). Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und de-ren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Diesen Anforderun-gen wird genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht in Frage stellen. Enthält die Berufungs-begründung zumindest zu einem Streitpunkt eine diesen Anforderungen genü-gende Begründung, ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn die bezeichne-ten Umstände geeignet sind, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – I ZR 146/12, GRUR 2013, 950 Rn. 10 = WRP 2013, 1332 – auch zugelassen am OLG Frank-furt, mwN). Dies ist hier der Fall. Die Beklagten haben in der Berufungsbegrün-dung in einer diesen Anforderungen genügenden Weise dargelegt, dass sie das landgerichtliche Urteil für unrichtig halten, weil das von der Klägerin beanstan-dete Verhalten aus ihrer Sicht das Urheberrecht am Film nicht verletzt. Sie ha-ben damit einen Umstand bezeichnet, der dem angefochtenen Urteil auch hin-sichtlich des auf § 91a ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung die Grundlage entziehen konnte.
3. Im Übrigen ist zwar bei einer unbeschränkt zugelassenen Revision die Anfechtung einer gemischten Kostenentscheidung neben der Anfechtung der Hauptsacheentscheidung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie kann hin-sichtlich des auf § 91a ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung aber nur darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen dieser Bestimmung verkannt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 20/10,
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GRUR 2011, 1140 Rn. 30 = WRP 2011, 1606 – Schaumstoff Lübke, mwN). Das macht die Revision nicht geltend.
C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuhe-ben, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, da sie wegen des Fehlens von Feststellungen zu der Frage, ob der Film mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf der Video-plattform „YouTube“ eingestellt war, als die Beklagten ihn über ihre Webseite zugänglich machten, nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
D. Eine der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache vorgehende erneute – Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Bun-desgerichtshof kommt nicht in Betracht .
I. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein innerstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts gestellt wird, es sei denn, es hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand ei-ner Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die gerichtliche Anwen-dung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zwei-fel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 – C.I.L.F.I.T.). Vom Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung darf das innerstaatliche Gericht nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und
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den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Ok-tober 1982 – C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 – C.I.L.F.I.T.).
II. Im Streitfall stellt sich die – vom Senat bejahte – Frage, ob eine öffentli-che Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, ohne dass die Urheberrechtsinhaber einer öffentlichen Wiedergabe dieser Wer-ke auf der anderen Internetseite zugestimmt haben.
Diese Frage ist für die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin erheblich und durch die Entscheidungen „Svensson/Retriever Sverige“ (GRUR 2014, 360) und „BestWater International/Mebes und Potsch“ (GRUR 2014, 1196) des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht unmittelbar beant-wortet. Der Senat ist im Blick auf das am 7. April 2015 beim Gerichtshof der Europäischen Union eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden in der Rechtssache C-160/15 – GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. (Beschluss vom 3. April 2015 – 14/01158) auch nicht restlos davon überzeugt, dass diese Frage vom Gerichtshof der Europäischen Union bejaht wird.
Der Hoge Raad der Nederlanden hat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Liegt eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richt-linie 2001/29/EG vor, wenn eine andere Person als der Urheberrechtsin-haber mittels eines Hyperlinks auf einer von ihr betriebenen Website auf eine von einem Dritten betriebene, für das allgemeine Internetpublikum zugängliche Website verweist, auf der das Werk ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist?
1. b) Macht es dabei einen Unterschied, ob das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wur-de?
1. c) Ist es von Belang, ob der „Hyperlinker“ von der fehlenden Zustimmung des Rechtsinhabers zum Einstellen des Werks auf der in Frage 1. a) ge-nannten Website des Dritten und gegebenenfalls dem Umstand, dass
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das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinha-bers öffentlich wiedergegeben wurde, weiß oder wissen muss?
2. a) Sofern Frage 1. a) verneint wird: Liegt in diesem Fall gleichwohl eine öf-fentliche Wiedergabe vor oder kann eine solche vorliegen, wenn die Website, auf die der Hyperlink verweist, und damit das Werk, für das all-gemeine Internetpublikum auffindbar ist, wenn auch nicht leicht, so dass das Setzen des Hyperlinks das Auffinden des Werks in hohem Maß er-leichtert?
2. b) Ist es bei der Beantwortung von Frage 2. a) von Belang, ob der „Hyper-linker“ den Umstand kennt oder kennen muss, dass die Website, auf die der Hyperlink verweist, für das allgemeine Internetpublikum nicht leicht auffindbar ist?
3. Gibt es andere Umstände, denen bei der Beantwortung der Frage Rech-nung zu tragen ist, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn mittels eines Hyperlinks Zugang zu einem Werk verschafft wird, das zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde?
Die Vorlage dieser Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Hoge Raad der Nederlanden zeigt, dass es Raum für einen vernünf-tigen Zweifel an deren Entscheidung gibt. Jedenfalls die Frage 1. a) deckt sich weitgehend mit der sich im vorliegenden Rechtsstreit stellenden Frage.
III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Bundesgerichtshof ist gleichwohl nicht geboten, da der Bundesgerichtshof in-soweit keine abschließende Entscheidung trifft und es derzeit noch offen ist, ob die in Rede stehende Frage für eine abschließende Entscheidung von Bedeu-tung ist. Bevor geklärt ist, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auf der Videoplattform „YouTube“ eingestellt war, als die Beklagten ihn über ihre Webseite zugänglich machten, ist es aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll, dem Gerichtshof der Europäischen Union diese Frage vorzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – I ZR 86/91, GRUR 2000, 727, 729 = WRP 2000, 628 – Lorch Premium I, mwN; Urteil vom 9. Februar 2012 I ZR 43/11, GRUR 2012, 1017 Rn. 54 = WRP 2012, 1413 – Digitales Druck-zentrum).
E. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Ge-richtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des
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Hoge Raad der Nederlanden in der Rechtssache C-160/15 ist gleichfalls nicht veranlasst.
Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO zwar auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entschei-dung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – I ZR 76/11, ZUM-RD 2013, 633 Rn. 5 mwN).
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Auch einer Aussetzung des Verfahrens steht jedoch entgegen, dass der-zeit noch offen ist, ob diese Frage im vorliegenden Rechtsstreit für eine ab-schließende Entscheidung von Bedeutung ist (BGH, GRUR 2012, 1017 Rn. 55 Digitales Druckzentrum).
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Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.02.2011 – 37 O 1577/10 –
OLG München, Entscheidung vom 16.02.2012 – 6 U 1092/11 –

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